Durch das Rekristallisationsglühen wird ein infolge Kaltverformung entstandenes gerichtetes (Zwangs-) Gefüge ohne wesentliche Alpha-Gamma-Phasenumwandlung umgebildet, um die verlorengegangene Zähigkeit des Stahls wiederzugewinnen. Oberhalb der für jeden Stahl spezifischen Rekristallisationstemperatur bildet sich nach vorausgegangener Verformung durch die eingebrachte Wärme das Kristallgitter neu.
Für unlegierten Stahl sind Glühtemperaturen von 500 °C bis 650 °C und für legierte bis hochlegierte Stähle 630 °C bis 750 °C zu wählen. Die Haltezeiten beim Rekristallisationsglühen sind bei höher gewählten Temperaturen kürzer als beim Weichglühen. Eine Überschreitung der jeweiligen Ac1-Temperatur ist bei kohlenstoffarmen Stählen nicht zulässig. Die Abkühlung hat möglichst langsam zu erfolgen.
Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Haltezeit im Wesentlichen von der gewählten Glühtemperatur abhängig ist und nur wenige Minuten bis zu einigen Stunden betragen kann. Die Rekristallisationstemperatur nimmt mit steigendem Verformungsgrad ab. Je höher die Rekristallisationstemperatur gewählt wird, umso kürzer ist die zur Rekristallisation erforderliche Zeit.
Die Vorteile gegenüber dem Normalglühen sind:
- Geringere Gefahr des Verzunderns der Oberfläche
- Geringere Gefahr des Bauteilverzuges
- Eine Gefügeneubildung erfolgt auch bei hochlegierten austenitischen oder ferritischen Stählen, die ansonsten eigentlich umwandlungsfrei sind.
Der Nachteil ist ein im Vergleich zum Ausgangsgefüge gröberes Korn bei zuvor besonders geringen Verformungsgraden. Die Alternative wäre dann ein Normalglühen.