Was ist Spannungsarmglühen?
Ziel des Spannungsarmglühen ist es, die inneren Spannungen im Werkstück, welche durch ungleichmäßige Temperatureinflüsse und mechanische Beanspruchung entstanden sind, zu beseitigen. Die inneren Spannungen im Bauteil sind zuvor z. B. durch ungleichmäßige Erwärmung, Formänderung oder Abkühlung beim Richten, Zerspanen, Kaltumformen, Gießen oder Schweißen verursacht worden. Vor allem große Wanddickenunterschiede führen zu einer ungleichmäßigen Abkühlung. Beim Spannungsarmglühen müssen daher die inneren Spannungen ohne wesentliche Änderung anderer Eigenschaften, wie z. B. die Festigkeit, weitgehend abgebaut werden.
Die Wärmebehandlung von Schweißverbindungen kann zur Verbesserung der Eigenschaft der Gesamtverbindung beitragen. Nach dem Schweißen liegt das Schweißgut in einem Gußzustand vor und hat dann in der Nähe der Schmelzlinie ein Gefüge, welches vielfach aus dem grobkörnigen Austenit mit entsprechend hohen Spannungszuständen entstanden ist.
Unter Spannungsarmglühen versteht man eine Wärmebehandlung bei einer Temperatur unterhalb Ac1 mit anschließender langsamer Abkühlung zum Abbau innerer (Eigen-) Spannungen. Die übrigen Werkstoffeigenschaften sollen durch das Spannungsarmglühen möglichst unverändert bleiben.
Eigenspannungen reduzieren
Eigenspannungen sind Spannungen, die ohne Vorhandensein von äußeren Kräften im Inneren eines Werkstückes oder Bauteiles auftreten. Es werden hier in der fachspezifischen Literatur Eigenspannungen der 1. Art, 2. Art und 3. Art. unterschieden. Diese Eigenspannungen entstehen auf unterschiedliche Weise, insbesondere bei der 1. und 2. Art durch ungleichmäßiges Abkühlen in Verbindung mit einer behinderten Schrumpfung nach dem Schweißen oder Abkühlen von Gußstücken sowie einer Kaltverformung (Biegen, Hämmern, Richten und Walzen) oder einer spanabhebenden Bearbeitung wie z. B. Fräsen, Hobeln und Drehen. Eigenspannungen der 3. Art werden durch Gitterinhomogenitäten (Fremdatome im Kristallgitter), Korngrenzen oder durch Ausscheidungen verursacht. Eigenspannungen der 1. und 2. Art sind in der Regel deshalb unerwünscht, da sie teilweise die Höhe der Streck- und Dehngrenze erreichen können, sodass bei niedrigen äußeren Belastungen eine Rissbildung oder sogar ein Bruch eintreten kann. Ebenso können die plastischen Verformungsreserven eines Werkstückes sich erheblich vermindern.
Weitere Einzelheiten zum Spannungsarmglühen
Zum Verfahren des Spannungsarmglühens gilt verallgemeinernd festzuhalten, dass die Stähle langsam auf Temperaturen zwischen 500 °C und 650 °C erwärmt werden und diese Glühtemperatur dann über 1 bis 2 Stunden gehalten wird. Bei der Haltezeit orientiert man sich an einem Parameter von 1 min. je mm Bauteildicke.
Eine der wichtigsten Regeln beim Spannungsarmglühen ist die Wahl einer geringen Aufheiz- und insbesondere Abkühlgeschwindigkeit, sodass alle Bereiche des Werkstücks stets die gleiche Temperatur besitzen, damit keine neuen Eigenspannungen entstehen. Als Richtwert der Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeit (im Ofen) ist daher die Werkstückdicke und Komplexität des Bauteils zu berücksichtigen. Bis 10 mm Wanddicke sollte die Erwärmung mit einem Gradienten von 5 K/min. und das Abkühlen mit < 2,5 K/min. durchgeführt werden. Ab 50 mm Wanddicke verringern sich beide Werte recht deutlich auf 1 K/min. (Aufheizen) und < 0,5 K/min. (Abkühlen).
Auch wenn die inneren Spannungen durch die Wärmebehandlung deutlich reduziert werden und die Änderung anderer Eigenschaften nicht erwünscht sind, so führt das Spannungsarmglühen in der Schweiß- und der Wärmeeinflusszone meistens doch zu einem Härteabfall, da der Werkstoff über die Bildungstemperatur des bei der Abkühlung beim Schweißen entstandenen Gefüges angelassen wird.
Eine Zunderbildung und Randentkohlung der Stähle tritt beim Spannungsarmglühen noch nicht auf. Zu beachten ist, dass die Glühtemperaturen bei vergüteten Teilen 30 bis 50°C unter der Anlasstemperatur der vorherigen Vergütung bleiben.